Ihr mit mir, ich mit euch

BRIEF AUS GRANDCHAMP 2024

Bleibt hier und wacht mit mir –
Ich bin bei euch alle Tage, immerdar!

Mit diesem Thema wollen wir an das Thema des letzten Jahres anknüpfen, in dem es darum ging, in allem aus der Gegenwart Gottes zu leben.

Wir haben den Eindruck, dass wir, um tiefer gehen zu können, noch diese Bitte Jesu hinzufügen müssen: „Bleibt hier und wacht mit mir.“ Ja, auch Jesus braucht uns. Simon- Pierre Arnold OSB drückt es so aus: „Ohne uns kann Gott nicht für uns existieren. Wir dagegen existieren unter allen Umständen für ihn. In diesem Sinne ist Gott unendlich viel mehr auf uns angewiesen als wir auf ihn. Er wartet in alle Ewigkeit auf eine Antwort des Menschen, die seinen Willen zur Gegenseitigkeit, seinen Liebesbund annimmt.“

Die Welt leidet, sie ist in einer chaotischen Umwälzung. Ein Erwachen ist notwendig. Dies führt unweigerlich durch eine Form des Todes und durch Geburtswehen. Jesus selbst musste diesen Weg gehen. „Ihr mit mir, ich mit euch“: Ko-Abhängigkeit, aus der neues Leben erwächst.

„Bleibt hier und wacht mit mir.“ Nach der Einsetzung des Abendmahls und der Ankündigung der Verleugnung an Petrus begibt sich Jesus mit den Jüngern in den Garten Getsemani und bittet sie, dort zu bleiben. Er nimmt nur Petrus, Jakobus und Johannes mit sich. Nur ihnen vertraut er seine Angst und seine Traurigkeit an. Er bittet sie zu wachen, während er in einiger Entfernung allein beten will. Sie können den Weg nicht bis zum Ende mit ihm gehen. In völliger Einsamkeit muss er sich der schwersten Versuchung stellen: den Kelch zu trinken – oder nicht. Seine Stunde ist gekommen, die ihre noch nicht. Erst nachdem er sich dreimal zum Gebet zurückgezogen hat, während die Jünger schlafen und Gott abwesend scheint, besiegt er die Versuchung. Und zwar deshalb, weil er sich trotz dieser scheinbaren Abwesenheit entscheidet, an die Gegenwart Gottes zu glauben. So kann das Leben wieder auferweckt werden: das ist die Auferstehung!

„Seid gewiss: Ich bin bei euch alle Tage, immerdar.“ Jesus hatte durchaus von seiner Auferstehung gesprochen, kurz bevor er in den Garten Getsemani ging und bei seinen Leidensankündigungen. Doch bevor wir so etwas nicht selbst erfahren haben, können wir es nicht glauben. Erst wenn ich meine Trauer, meine Angst, das Gefühl der Einsamkeit, der Verlassenheit, der abgrundtiefen Leere selbst durchlebe, kann ich auch eine Gegenwart entdecken: dass Jesus mitten in meiner Not bei mir ist. So begegne ich dem Gekreuzigten-Auferstandenen.

Das erfordert eine lange Arbeit, bei der ich mich innerlich verwandeln muss, vieles ablegen, und wie durch einen Abstieg in die Hölle geführt werde. Wie schwer ist es, dies zu wagen ohne die Hoffnung des ,ICH BIN mit euch’. Es braucht Zeit und es braucht die Beharrlichkeit des Gebetes, um diesen schmalen Weg zu gehen, der uns jedoch frei und glücklich machen kann. Denn er führt uns zu einem Leben in Fülle und zu jener Erneuerung, die die Welt so dringend benötigt. D. Bonhoeffer schreibt: „Die Freude Gottes ist durch die Armut der Krippe und die Not des Kreuzes gegangen; darum ist sie unüberwindlich, unwiderleglich. Sie leugnet nicht die Not, wo sie da ist, aber sie findet mitten in, gerade in ihr, Gott.“

Und wir? Wagen wir es, die Menschen, die uns am nächsten stehen, zu bitten, dass sie mit uns wachen? Selbst wenn sie dies nicht lange aushalten können? Deshalb fügt Jesus beim zweiten Mal hinzu: „Wacht und betet, damit ihr nicht in Versuchung geratet.“ (Mt 26,41) Für sich selbst sollen sie beten, denn ihre Versuchung besteht darin, dass sie es nicht ertragen, andere in ihrer Angst, in ihrer Not, mit ihrem Kreuz zu sehen. Wie drückt sich diese Versuchung bei mir aus? In Flucht? In Suche nach Erklärungen? Im Willen, die anderen unbedingt dort herauszuholen, wie Petrus (Mt 16,22)? Das Böse auf sich nehmen? Hier falle ich dann in die Versuchung, Allmacht auszuüben (und das macht selbst Gott uns gegenüber nicht) oder von den anderen Besitz zu ergreifen. Wir müssen lernen, die Ohnmacht der „letzten Stunde“ anzunehmen, die Kontrolle zu verlieren, nicht mehr zu meinen, wir wüssten besser als die anderen, was für sie richtig und gut ist. Dies alles muss sich erst in uns verwandeln, dank der anderen, die uns mit unseren unangemessenen und manchmal verletzenden Reaktionen konfrontieren. Es ist wichtig, dass wir ehrlich sind, uns nichts vormachen, uns nicht selbst belügen. Für uns selbst beten und uns dabei auf die Gegenwart Jesu stützen. Dann können wir das auch in unseren Beziehungen leben.

Um eine solche Qualität der Präsenz zu erreichen, ist es notwendig, dass wir ganz aufrichtig miteinander sprechen, so wie Jesus es oft mit Petrus und seinen Jüngern getan hat. Ein ehrliches Wort zu wagen macht uns zwar verletzlich, öffnet uns aber für Beziehungen, die viel authentischer und von Liebe, Respekt und Vertrauen geprägt sind. Wie viel Leid und Unverständnis entsteht, wenn wir uns in unseren Partnerschaften, Familien und Gemeinschaften nicht trauen, aufrichtig miteinander zu reden, weil wir Angst haben. Dies baut Mauern auf, verfälscht die Beziehung und birgt sogar die Gefahr, dass sie zerbricht. Natürlich braucht es Mut, zu sagen, wenn ich verletzt bin. Dazu muss ich erst in mir selbst erkennen und anerkennen, was ich fühle. Dann kann ich auch die anderen in ihrem Erleben hören. Dies erfordert ein echtes Zuhören, die Stille des Gebets, eine Zeit des Nachsinnens. (Es geht ja auch nicht darum, uns einfach immer alles zu erzählen, wann und wie auch immer.)

Wenn wir uns all dieser inneren Arbeit und Beziehungspflege widmen, hat das nicht nur Auswirkungen auf uns selbst: Es setzt auf geheimnisvolle Weise Energien frei, Energien des Lebens, des Friedens und der Versöhnung in unserer konfliktreichen Welt und in der misshandelten Schöpfung. Und „wo die Liebe ist, da ist Gott“ (Ubi caritas …). Wir brauchen einander, um in unserer Berufung als Menschen zu wachsen. Diese besteht darin, mit derselben Liebe zu brennen wie Jesus, als er die Seinen bis zur Vollendung liebte, bis zum Äussersten: der Vergebung (frz.: par-don, „durch Gabe“). Lieben wir uns so? „Gott entzünde in uns das Feuer seiner Liebe!“

Sr. Anne-Emmanuelle

 

„Siehe, ich bin bei euch alle Tage!“ Dieses Versprechen Christi, seine treue Gegenwart, ist Richtschnur und Quelle der Freude im Heute unserer Kommunität.

Im Sonnenhof: An Pfingsten feierten wir 70 Jahre Präsenz der Schwestern von Grandchamp im Sonnenhof und zu- gleich das 10-jährige Bestehen unseres Freundeskreises. Die vielen Gäste von nah und fern zeigten ihre Dankbarkeit für den Ort und ihre Verbundenheit mit uns. Einige von ihnen kommen schon seit vielen Jahren, um ihrer Sehnsucht nach Stille und nach Nähe zu Gott Raum zu geben.

Im Rahmen der Predigt zum Festgottesdienst sagte Bruder Thomas von den Christusträgern aus CH-Ralligen: „Wenn die Heilige Geistkraft kommt, dann leuchten nicht die Perfekten und Vollkommenen, sondern die sie aufnehmen, die ihr Raum geben und so durchscheinend werden für sie. Und oft sind es gerade unsere Risse, durch die ihr Licht in unsere Welt fällt.“ Dies ist wahr für unsere Präsenz heute wie schon damals, vor 70 Jahren. Im Jahr 1954 antworteten drei Schwestern, davon zwei, die der deutschen Sprache und erst recht nicht des Basler Dialekts mächtig waren, auf den eindringlichen Ruf so mancher Gäste, die im Mutterhaus in Grandchamp Einkehr lebten, solch ein Haus auch im deutschen Sprachraum zu öffnen. Der leerstehende Sonnenhof oberhalb von Gelterkinden in Baselland, einst als Badeanstalt erbaut, danach als Gastwirtschaft, später als Heim für geistig behinderte Kinder und dann für die Resozialisierung für Straf- entlassene benutzt, wurde uns angeboten. Die Gäste kamen seit Beginn zahlreich und erlebten schon damals „die Wohltat des Schweigens, einmal nicht reden müssen“, wie es Claudia Gutzwiller, ein Gast, die seit mehreren Jahren regelmässig kommt, in ihrem Grusswort zum 70- jährigen Jubiläum ausgedrückt hat.

Bald wurde die Kapelle, die sich damals im heutigen „Kaminzimmer“ befand, zu klein und der Bau eines Nebengebäudes mit einer neuen Kapelle wurde notwendig. Seit all diesen Jahren versammeln wir uns dort regelmässig zum gemein- samen Gebet, zur Feier der Eucharistie und um, wie Mère Geneviève es bereits den ersten Schwestern mit auf den Weg gegeben hatte „uns in guten und beson- ders in schweren Zeiten ganz bewusst Jesus Christus zuwenden und durch IHN Licht in unsere Welt tragen.“ Kirchenratspräsident Christoph Herrmann hat uns in seinem Grusswort ermutigt, „im Hören und im Gebet treu zu bleiben und diese Möglichkeit anderen anzubieten“, womit er direkt an den inneren Ruf von Mère Geneviève anknüpfte.

An die fünfzig Schwestern lebten seit 1954 unterschiedlich lang im Sonnenhof. Noch zahlreicher sind die Pfarrer*innen und weitere Personen, die sich für die Begleitung von Retraiten und Einkehrtagen sowie Eucharistiefeiern zur Ver- fügung gestellt haben. So sagte Désirée Binder im Rahmen ihres Grusswortes zum Jubiläum: „Mit verschiedensten Gaben sorgten alle miteinander für das Ganze.“ Und sie zitierte Jesu Worte aus Lukas 10: „Ihr alle habt das gute Teil erwählt, nehmt es mit in euren Alltag, lasst es Früchte tragen, nichts davon soll von euch genommen werden.“ Sie selbst begleitet seit vielen Jahren Kurse im Sonnenhof, zusammen mit ihrem Mann Markus, der im Haus auch immer wieder Eucharistie feiert.

Es gab Momente, in denen es gar nicht klar war, wie die Zukunft des Sonnenhofs aussehen kann. Besonders im Jahr 2013 war das der Fall, als Sr. Christel, die damalige verantwortliche Schwester, eine schwere Hirnblutung erlitt. Doch der Same für etwas Neues war damals bereits gesät: ein Freundeskreis sollte entstehen und Unterstützung leisten.

Knapp 10 Jahre später – die Zahl der Schwestern war kontinuierlich zurückgegangen – gab es eine neue, einschneidende Veränderung. Die Weggemeinschaft, bestehend aus Schwestern und anderen Personen, die sich für eine Zeit miteinander im Sonnenhof einbringen, ist geboren. Somit wurde ein weiteres Korn der Hoffnung gesät. Nicht umsonst hat uns Dorothea Schopferer, Stiftungsratsmitglied und Verantwortliche des Drittordens, im Rahmen des Jubiläums Sonnenblumensamen, die Hoffnung und Freude symbolisieren, überreicht. Seit gut zwei Jahren tragen drei Schwestern mit anfänglich zwei und seit kurzem drei Frauen den Alltag im Haus miteinander. Birgit Hoffmann, die kürzlich zur Weg- gemeinschaft dazu gestossen ist, drückt ihren ersten Eindruck folgendermassen aus: „Im täglichen Miteinander und in der gemeinsam gelebten Liturgie entsteht eine besondere Durchlässigkeit zwischen der Welt ,draussen’ und der Kommunität.“

So wie wir den grossen Umbau der Küche im Jahr 2016 und der Gästeetage im Jahr 2023 gewagt haben, so wollen wir auch weiterhin den Samen des Vertrauens und der Hoffnung aussäen, im Wissen, dass die Zukunft in Gottes Hand liegt und Er es ist, der durch all unsere Risse sein Licht leuchten lässt.

Catherine E. Clifford, eine enge Freundin der Kommunität, nahm als offizielle Delegierte an der Bischofssynode teil, die im Oktober 2023 und 2024 in Rom stattfand. Sie berichtete uns mit Begeisterung von den Hoffnungen und Herausforderungen, die dieser Prozess mit sich bringt. Und der auch uns in unserem Gemeinschaftsleben, im Leben der Weltkirche und unsere Kirchen auf dem Weg zur Versöhnung betrifft.

Die Polarisierung, die in unserer heutigen politischen und sozialen Landschaft so offensichtlich ist, ist auch in das Leben der Kirche eingedrungen. Nachdem sie in den westlichen Gesellschaften an Ansehen und Einfluss verloren hat, befindet sie sich in einer tiefen Glaubwürdigkeitskrise, die durch den sexuellen Missbrauch durch Geistliche und dessen Ver- tuschung sowie durch weiteren Macht- missbrauch von Amtsträgern noch verschärft wird. Diese tiefgreifenden Veränderungen führen dazu, dass sich jedes Jahr Hunderttausende von Christ*innen von der aktiven Teilnahme am kirchlichen Leben abwenden. Auch im Bereich der Moral sind neue Spannungen entstanden.

Vor diesem Hintergrund rief Papst Franziskus die Katholik*innen auf der ganzen Welt dazu auf, einen mehrjährigen syno- dalen Prozess einzuleiten, und ermutigte uns damit, „eine hörende Kirche“ zu werden. Ich hatte das Privileg, an der XVI. Generalversammlung der Synode für eine synodale Kirche in Rom teilzunehmen. Die Internationale Bischofssynode, die 1965 von Papst Paul VI. ins Leben gerufen worden war, tagt seit über 50 Jahren regelmässig. Zum ersten Mal überhaupt nehmen auch Nicht-Bischöfe, darunter 54 Frauen, als Delegierte mit Rede- und Stimmrecht teil. Ursprünglich als Ausdruck der Kollegialität der Bischöfe und ihrer „Sorge“ für die Weltkirche gemeinsam mit dem Bischof von Rom gedacht, entwickelt sich die Synode immer mehr zu einem lebendigen Ort der Begegnung und der gemeinsamen Reflexion, an dem die vielfältigen Stimmen der Ortskirchen gehört werden können.

Schon allein die Tatsache, dass wir zu- sammen sind und uns auf diesen synodalen Weg begeben, sagt dieser von Spal- tungen zerrissenen Welt, dass es eine andere Art des Zusammenlebens gibt. Auch nahmen „brüderliche Delegierte“ (nichtkatholische Kirchenvertreter*innen) aus 16 christlichen Kirchen und Konfessionsfamilien an der einmonatigen Versammlung teil, als Zeichen der gemeinsamen Verpflichtung von Katholik*innen und anderen Christ*innen, sich gemeinsam den zahlreichen Herausforderungen unserer Zeit zu stellen. Papst Franziskus schrieb, dass die Synodalität etwas ist, das Katholik*innen von anderen christlichen Kirchen, die diese alte und lebendige Tradition bewahrt haben, lernen und vermittelt bekommen können. Im Laufe der Jahrhunderte war die katholische Kirche auf den Papst zentriert und vom Klerus dominiert worden. Sie verlor den Brauch, sich in Synoden zu versammeln. Die jetzige Versammlung soll uns auf den Weg bringen, die lang vergessene Tradition der Synodalität wieder zu erlernen. Der synodale Prozess an sich ist ein Lernprozess.

In ihm erproben wir die Praxis des „Gesprächs im Geist“, das im Gebet verankert ist. Das Evangelienbuch wird in der Mitte jeder Synodenversammlung gut sichtbar platziert als Symbol für unser Hören auf das Wort Gottes. Jeder Tag beginnt mit dem „Adsumus“-Gebet, der Bitte um die Führung des Heiligen Geistes. Gespräche und Momente des stillen Gebets wechseln sich ab. Tiefes Hören ist nur in der inneren Stille möglich. In diesem Klima sind wir eingeladen, ganz offen zu sprechen. Dies ist jedoch nicht die Zeit von Rhetorik und auf Überzeugung abzielende Argumentation. Das Gespräch im Geist verlangt nach einer gewissen Askese und Einfachheit der Sprache.

Die Praxis des synodalen Zuhörens erfordert Demut. Papst Franziskus bemerkt: „Es ist ein gegenseitiges Zuhören, bei dem alle etwas zu lernen haben. Die Gläubi- gen, das Bischofskollegium, der Bischof von Rom: alle hören aufeinander, und alle hören auf den Heiligen Geist, den ,Geist der Wahr- heit’ (Joh 14,17), um zu erfahren, was er den Gemeinden sagt’ (Offb 2,7).“ Alle, unabhängig von ihrer kirchlichen Funktion, ihrem sozialen Status oder ihrer Bildung, müssen akzeptieren, dass sie etwas zu lernen haben. Diese radikale Offenheit entspringt der Überzeugung, dass derselbe Geist allen Getauften gleichermassen gegeben ist. Auf dieser grundlegenden Ebene teilen wir alle die gleiche Würde und den gleichen Ruf zur Heiligkeit. Diese fundamentale Gleichheit wird durch die runden Tische symbolisiert, an denen die Laiendelegierten auf derselben Ebene wie Patriarchen, Kardinäle und Bischöfe sitzen. Jede, jeder hat die gleiche Redezeit, und niemand kann dominieren. Wenn wir auf den „sensus fidei“ (Glaubenssinn) hören, der allen Getauften gegeben ist, entdecken wir, dass manchmal junge, arme oder am Rand der Gesellschaft stehende Menschen eine Weisheit und Erfahrung besitzen, die die der Gelehrten übertrifft. Für mich war es eine besondere Herausforderung, dem gelebten Glauben von Männern und Frauen aus ganz unterschiedlichen kulturellen Kontexten zuzuhören und von ihm zu lernen. Dabei wird schnell klar, dass die Lösung für ein bestimmtes Problem je nach Kontext unterschiedlich ausfallen kann.

In jeder Phase sind wir aufgerufen, zu prüfen. In Momenten der Stille und im gegenseitigen Zuhören versuchen wir zu unterscheiden, was unser Wachstum im christlichen Leben behindert und was uns auf neue Wege der Begegnung mit Christus und dem Geist führt.

Catherine E. Clifford

Ich bin bei euch … in Freude und Dankbarkeit, wenn wir uns der kostbaren Momente erinnern, die wir im Laufe des Jahres in Grandchamp und anderswo leben konnten:

Da sich die Amtszeit von Sr. Anne-Emmanuelle als Priorin dem Ende zu- neigte, gingen wir auf eine Neuwahl zu. Noch intensiver auf Gott, auf die anderen und auf die Ereignisse in der Welt um uns herum hören, das war die Einladung, die an uns erging. Begleitet wurden wir in diesem Prozess der gemeinsamen Entscheidungsfindung von Br. Mark-Ephrem, Abt der Holy Cross Abbey in Nordirland, und von Sr. Agnes, Verantwortliche der Schwestern von St. André. Während der Retraite vor der Wahl ermutigte uns Br. Mark-Ephrem, „das Wort, das euch gegeben wird, anzunehmen und zu bewahren und es mit euren Schwestern in Momenten des stillen Gebets zu teilen“, um für die gemeinschaftliche Entscheidungsfindung bereit zu werden. Eine Wahl auf diese Weise zu leben, ist eine Quelle der Freiheit. Mit grosser Freude haben wir Sr. Anne-Emmanuelle als Priorin für die nächsten acht Jahre empfangen.

Dies brachte neuen Schwung in die ganze Gemeinschaft und half uns, die notwendigen Anpassungen vorzunehmen, die mit dem Wechsel von Verantwortlichkeiten verbunden sind: u.a. in der Kapelle, in der Arbeitsorganisation und in der Küche konnten einige Schwestern einen neuen Aufgabenbereich entdecken. Und um die Festzeiten ruhiger erleben zu können, haben wir unseren Zeitplan für die Weihnachts- und Neujahrstage angepasst.

Im Noviziat war dieses Jahr geprägt von Begegnungen: mit den Diakonissen vom Hohrodberg, den Christusträger- Brüdern … Kurz vor Pfingsten führte Manuel Coley die ganze Gemeinschaft durch zwei Tage geistlicher Gesang“, eine grosse Kraft für unser Gebetsleben.

Ich bin bei euch … durch so viele verschiedene Gesichter:

Die Gesichter der zahlreichen Gäste, die ein paar Stun- den oder Tage bei uns verweilen, der Volontär*innen oder der Schwestern aus verschiedenen Gemeinschaften. Viele von ihnen kommen nicht nur aus Europa, sondern auch aus Ländern wie Malaysia, den USA, dem Kongo, Israel, Ägypten, Syrien … So konnten wir tiefe Beziehungen knüpfen, die unseren Horizont erweitert haben. Sr. Siong konnte ihrerseits eine grosse Reise nach Indonesien unternehmen. Dieser Austausch stärkt unsere Offenheit für die Welt, für andere Kulturen und unsere Solidarität mit Menschen, die in Krisen- und Kriegssituationen leben … Dank dem Freundeskreis und den ehrenamtlichen Helfer*innen sind wir in der Lage, alle diese Gäste zu empfangen. Ein grosses DANKESCHÖN für all die Unterstützung, die wir erhalten haben. Und für die Gemeinschaft mit dem Drittorden der Einheit und den Servantes de l’Unité (Frauen im Dienst der Einheit): ein grosses Netzwerk von Gebet und Freundschaft, eine Quelle gegenseitiger Bereicherung.

Ich bin bei euch … bei den Begegnungen mit befreundeten Kommunitäten:

Sr. Anne-Emmanuelle konnte mit einigen anderen Schwestern zur Einsegnung von Fr. Matthew als Prior nach Taizé fahren, sowie nach Reuilly, wo Sr. Anne zu Beginn ihres Priorats eingesegnet wurde, und zur Landeskirchlichen Gemeinschaft jahu zur Einsegnung ihrer neuen Verantwortlichen.

Es war für Sr. Anne-Emmanuelle und Sr. Regina eine grosse Freude, das Kloster Sainte Françoise Romaine und die Abtei Le Bec Hellouin zu besuchen, die schon zu Zeiten Mère Genevièves wichtige Orte für die Kommunität waren. Eine weitere wertvolle und bewegende Begegnung war das letzte Treffen mit den Klarissen von La Grant Part vor der Schliessung ihres Klosters: Gelegenheit, für alles zu danken, was unsere Gemein- schaften miteinander verbunden hat.

Dank der Initiative einiger Schwestern aus Bose (I) konnte Sr. Hannah sich ihnen für eine Pilgerreise nach Rumänien anschliessen und mehrere orthodoxe Klöster kennen lernen. Sie kehrte mit grosser Dankbarkeit zurück: Diese Begegnungen und der Austausch in Lobpreis und Gebet verbinden uns immer tiefer in dem einen Leib Christi. Bei der Teilnahme am Treffen des Christlichen Forums der französisch-sprachigen Schweiz konnten auch Sr. Sonja und Sr. Markéta diese Erfahrung machen.

Ich bin bei euch … da, wo ihr lebt:

Wir sind froh, dass wir unsere provisorische Fraternität in Taizé in diesem Sommer wieder zum Leben erwecken konnten, dank Sr. Anneke und Sr. Gesine, die die jungen und weniger jungen Menschen in Taizé durch ihr Zuhören begleitet haben.

Sr. Christianne und Maria de Groot leben treu ihre Präsenz in den Niederlanden. Sie freuen sich über die tiefen Freund- schaften, die sich im Laufe der Jahre entwickelt haben, ebenso wie Sr. Janny im Catharinahof. Sr. Gabrielle lebt weiterhin voller Kreativität im Foyer Handicap in Neuchâtel, und Sr. Hélène zog im September ins Heim Val Fleuri in Fleurier.

In Sainte-Mère-Église in der Normandie leben Sr. Pascale und die drei Schwestern vom Karmel St. Joseph an einem Ort, der in diesem Jahr von den Gedenkfeiern zum 80. Jahrestag der Landung der Alliierten geprägt ist. Durch ihr Zusammenleben in der ökumenischen Fraternität und ihr Engagement in der Scheune des Friedens bekräftigen sie ihre Zuversicht, dass Frieden keine Illusion ist, sondern eine Realität, die wir gemeinsam aufbauen.

Während wir die Geburt Christi feiern, lasst uns unsere Herzen öffnen für diese Freude Gottes, die „durch die Armut der Krippe und die Not des Kreuzes gegangen“ ist (Bonhoeffer). Möge, durch unsere Antwort auf die Liebe, die Welt in diesem neuen Jahr mit Frieden und Hoffnung erhellt werden.

Ihre Schwestern von Grandchamp