Leben in Verbundenheit

BRIEF AUS GRANDCHAMP 2022

Titelbild: Geburt Christi. Kleine Schwestern Jesu Ägypten. Alle Rechte vorbehalten

Lasst uns Gottes Bund feiern und von ihm leben, als einer Gabe für uns, für die Menschheit und für die ganze Schöpfung.

So lautet das Thema, das uns dieses Jahres begleiten soll.

In dem, was unsere Welt lebt (Kriege, Krisen im Gesundheitswesen, Energiekrise, Klimakrise, Missbräuche in der Kirche …) sind wir aufgerufen, nicht nur nach Zeichen von Gottes wirkender Gegenwart Ausschau zu halten – den „Mandelblüten“ – sondern uns zuvor auch auf das Geschenk, auf die Gabe von Gottes Bund zu besinnen und ihn zu feiern.

Dies ist ein Ruf, zur Quelle zurückkehren, zum Fundament unseres persönlichen, gemeinschaftlichen, weltweiten, ja kosmischen Lebens: zu jenem unerschütterlichen, ewigen Bund, der bei der Schöpfung des Kosmos und für alle persönlich bei der Geburt geschlossen wurde. „Der Bund ist eine Ordnung, die Leben in sich trägt, die Verheissung von Leben ist“, sagte uns fr. Richard von Taizé während unserer Retraite, „eine verbindliche Zusage Gottes!“ Es geht aber nicht nur darum, aus dieser Wirklichkeit zu leben, sondern auch sie zu feiern und in eine Bewegung der Dankbarkeit und des Lobes einzutreten, wie bei einer Geburt! Der Bund mit Gott ist ein besonderer Bund: Gottes Liebe ist immer zuerst da, bedingungslos, und einem jeden, einer jeden angeboten. „Dies ist die Grösse, aber auch das Risiko unseres Lebens, dass wir dazu berufen sind, die Freude Gottes durch die Qualität und Grosszügigkeit unserer Antwort zu erwecken“ (P. Rondet), denn jeder Bund gründet auf der freien Antwort seiner Partner.

Diese Berufung bringt aber auch Verpflichtung mit sich und nimmt uns in Verant- wortung. Im Eheleben zum Beispiel sind Zugeständnisse notwendig. Wir müssen uns hinterfragen (lassen), dem, der anderen gegenüber aufmerksam bleiben, und dies über blosse Worte hinaus. „,Einen Bund schliessen‘ heisst auf hebräisch ‚einen Bund schneiden‘. Gewiss, der Bund eint die beiden Partner, aber er trennt und unterscheidet sie auch, er schneidet den einen vom anderen weg. Einen Bund gibt es nur, wo die Unterschiede respektiert werden.“ (Armand Abecassis)

Wenn dies das Wesen eines Bundes ist, damit er überhaupt zwischen Gott und den Menschen sowie zwischen den Menschen untereinander Bestand haben kann, so können wir uns nicht beliebig verhalten. Damit sich das Leben entfalten kann, brauchen wir Anhaltspunkte, Wegmarken, die uns helfen, unsere Verbindung zu Gott, zu uns selbst, zu den anderen und zur Schöpfung immer wieder neu auszurichten.

Unsere menschliche Natur bringt es mit sich, dass dies nicht einfach ist. Durch die ganze Geschichte hindurch können wir sehen, wie sehr wir Menschen Mühe haben, in jener Beziehungsqualität zu leben, die der Bund voraussetzt. Wir wollen unabhängig sein, und unser Leben selbst bestimmen, ohne Absprache mit den anderen, mit Gott!

Dadurch geht das Vertrauen verloren, das Hören auf den anderen wird verfälscht. Vieles bleibt unausgesprochen und Missverständnisse treten auf, die ganze Leben, ja ganze Generationen zerstören und in Furcht gefangen halten können.

Furcht ist das Erste, das der Mensch ausdrückt, als Gott ihn fragt: „Wo bist du?“ – „Ich fürchtete mich!“ Adam und Eva haben Angst, weil sie die Rahmenbedingungen des Bun- des nicht eingehalten haben. „Glückselige Unterscheidung“, sagt Lytta Basset, wenn sie von Pfingsten spricht. Gemeint ist das Schwert, das Jesus gebracht hat, um zu scheiden, ungesunde symbiotische Beziehungen aufzulösen. Die Tatsache, dass wir auch in einer Beziehung einzigartig sind, verschieden bleiben, ist nicht leicht zu ertragen, denn Unterschiede machen Angst, sie verunsichern! Doch sie ermöglichen die gegenseitige Inter- dependenz, die Abhängigkeit, die es braucht, damit ein Bund in Freiheit gelebt werden kann.

Es ist Wahnsinn, ein Wahnsinn der Liebe, dieses Risiko, das Gott eingegangen ist, als er uns als Menschen schuf. Er wünscht sich für uns diese freie Beziehung, die unserem Leben Orientierung gibt: Immer mehr diejenigen werden, die wir sind, seine geliebten Söhne und Töchter – und Mitschöpfer*innen. Diese Freiheit erspart uns weder Leiden, noch Wunden, noch das Kreuz.

Es wagen, unser Kreuz direkt anzuschauen, heisst Ja sagen zu unserer zerbrechlichen menschlichen Natur. Konflikte – persönliche Konflikte, Konflikte in der Familie, in der Gemeinschaft und weltweit – gehören zu unserem Menschsein. Doch nur in dem Mass, in dem wir diese Konflikte annehmen – und das geht nicht ohne geistlichen Kampf –, kann eine unerwartete Lebenskraft freigesetzt werden, die sich entfalten und wirken will. Wenn diese innere Verwandlung geschieht, dann strahlt sie nach aussen, oft ohne, dass wir uns dessen bewusst sind. Dadurch trägt jeder und jede, an seinem/ihrem Platz, zu einer immer freieren Welt bei mit immer ehrlicheren, echteren und schliesslich menschlicheren Beziehungen, so wie Jesus sie vorgelebt hat. Ja, dann leben wir als Erb*innen dieses uns geschenkten Bundes und spiegeln ihn wider …

„Alles ist verbunden, alles ist Gabe, alles ist zerbrechlich“, sagte Elena Lasida in Bezug auf die integrale Ökologie. Der Bund kann gelebt werden, wenn er auf diesen vier Säulen steht: der Beziehung zu Gott, zu sich selbst, zu den anderen und zur Schöpfung. Und dies im Bemühen um Einheit und Ausgewogenheit. Wenn uns bewusst wird, wie sehr alles verbunden ist – Gott und die Welt, das Himmlische und das Irdische, die Menschen und die Schöpfung – so spüren wir, dass es eine universelle Brüderlichkeit und Schwes- terlichkeit gibt. Und zugleich ermessen wir, wie zerbrechlich alles ist. Wir Menschen erfahren es von unserer Geburt an. Wir kennen den Mangel, das Angewiesensein auf andere. Dies ermöglicht es uns, uns der Verletzlichkeit unseres Nächsten zu öffnen. So sind wir aufgerufen, aufeinander zu achten und miteinander für das Leben Sorge zu tragen, durch alle Zeiten hindurch.

Wenn ich in Gottes Bund verwurzelt bin, bin ich frei, das Beste für den oder die andere zu wünschen, damit er, damit sie sich ebenfalls aus dieser Quelle empfangen kann. Fr. Alois schreibt: „Die gegenseitige Abhängigkeit allen Lebens lässt uns entdecken, dass wir gleichsam Schwestern und Brüder aller Lebewesen sind.“ Kann die weltweite Krise so auch eine Einladung sein, zur Quelle zurückzukehren, zu dem, wozu wir geschaffen sind?

 

Sr. Anne-Emmanuell

Die Freude Gottes wecken durch meine Antwort auf seinen Ruf. Was für ein schönes Vorhaben! Jeder und jede kann seine eigene Art und Weise entdecken, über das Leben zu wachen.

Hier einige Beiträge aus unserer geistlichen Familie:

Im Dritt-Orden der Einheit (DOE) haben sich acht Mitglieder engagiert. Aus dem Benin: Mathieu, Nathanaël und Nicodème; aus den Niederlanden: Jeannette, Albertine, Cécile, Wim und Annie.

Cécile drückt mit ihren Worten aus, was der Bund für sie bedeutet:

Er hält die Welt in seiner Hand

Am 26. Juni trat ich mit 4 weiteren Postu- lant*innen aus den Niederlanden in den Dritt-Orden der Einheit ein. Welch ein Segen, welche Freude, diese persönliche Lebensentscheidung während der Retraite und unseres Engagements miteinander zu teilen.

Als ich vor zwei Jahren meinen Wunsch äusserte, Mitglied des DOE zu werden, wollte ich so schnell wie möglich mein Engagement ablegen. Ich kannte Grand- champ seit 20 Jahren und war dort auch Volontärin gewesen. Ich fühlte mich bereit. Wegen der Pandemie dauerte es länger. Das eröffnete mir einen neuen und breiteren Blick auf mein Engage- ment. Was als persönlicher Wunsch begonnen hatte, mich wieder mit den Quellen meines Glaubens und meiner persönlichen Beziehung zu Gott zu ver- binden, wurde zu einer Vertiefung der Beziehung mit den Gemeinschaften, zu denen ich gehöre: dem DOE, meiner Familie, meiner Arbeit und der Kirche. Mir wurde klar, wie sehr all diese Dimensionen meines Lebens miteinan- der verbunden sind.

Meine Kirche, die Afrikanische Metho- distisch-Bischöfliche Kirche, hat sich seit ihren Anfängen für den Kampf gegen die Sklaverei und die Unterdrückung der schwarzen Bevölkerung in den Vereinig- ten Staaten engagiert. Genau wie in Süd- afrika, der Heimat meines Mannes, erfor- dert der Versöhnungsprozess ein starkes Bewusstsein für den Zusammenhang von sozialer Ungleichheit und individu- ellem Leid. Wir legen besonderen Wert auf die Interaktion von Pastor und Gemeinde, dem Ausdruck von Freude und persönlichen Zeugnissen. Alles in der Schöpfung ist miteinander verbunden:

Er hält die ganze Welt in seiner Hand.
Er hält Sonne und Regen in seiner Hand.
Er hält auch dich und mich in seiner Hand.

In Grandchamp nimmt die Stille einen wichtigen Platz im gemeinsamen Lobpreis ein. Die Formen unterscheidet sich, aber von beiden geht eine heilende und friedensstiftende Wirkung aus.

Wie können wir in den Gemeinschaften, denen wir angehören, Raum für die Sichtweise des anderen schaffen? In meinem Arbeitsbereich, der Pädagogik, sprechen wir davon, einen „sicheren Raum“ zu schaffen, in dem bewusst Platz für weniger dominante Beziehun-gen gegeben wird. Dies öffnet den Weg zu einer solidarischen und gleichberechtigten Gemeinschaft.

Verwurzelt in meinen persönlichen Quellen und in dem Bewusstsein, dass wir alle Brüder und Schwestern sind, alle Teil der Schöpfung, hoffe ich – gemein- sam mit euch – mehr in einer solidarischen Gemeinschaft zu wachsen.

Cécile

Zu den Frauen im Dienst der Einheit (Servantes de l’Unité – SU), die sich wegen Nachwuchsmangels schon auf das Ende ihrer Gruppe vorbereitet hatten, nahmen während der Covid-Zeit mehrere jüngere Frauen Kontakt auf. Sie fühlten sich von diesem auf das Gebet konzentrierte Leben angesprochen, das in der Ehelosigkeit gelebt wird und zugleich Verbindung in einer Gruppe bietet. Zu Treffen der SU im Sommer kamen vier Neue!

Hier ein Echo zum Thema:

  • Ich möchte etwas Konkretes erzählen, wie ich die Feier des Bundes im Alltag lebe: am Morgen die Augen öffnen, für den Tag danken, der gerade beginnt, innerlich lächeln, dass ich lebe … und meine Füsse auf den Boden stellen!

Diese morgendliche Geste, Symbol für das im Bund angebotene Leben, ist für mich ein Zeichen des Vertrauens und ein Versuch, mit Gott in Freude, Einfachheit und Barmherzigkeit zu leben. Wird sie im Laufe der Tage, Monate und Jahre wiederholt, ist sie ein Zeichen der gegen- seitigen Treue und des Bundes.

Der erste Schritt des Tages ist ein starkes Zeichen, mit dem ich zustimme, in den Bund mit dem Ganz-Anderen, den anderen und mir selbst einzutreten, im Land der Lebenden (Ps 116,9), ob ich nun Freude auf den Lippen habe (Ps 71,23) oder für mich keinen Ausweg sehe (Ps 88,9). So ist es quasi eine liturgische Geste, die Füsse auf den Boden zu stellen, mit der ich (wieder) beginne, den Bund zu feiern!

C., jüngere Frau im Dienst der Einheit

  • Siehst du, C., ich stehe morgens nicht immer früh auf, das gebe ich zu, aber ich habe mein kleines Ritual am Abend vor dem Schlafengehen: Ich lese das Evange- lium des nächsten Tages. Dort finde ich den Bund wieder, dort tauchen meine Wurzeln ein, unsere Wurzeln, wie diese alten Linden, die inmitten des Asphalts unserer Städte gepflanzt wurden und deren Wurzeln bis in die Erde reichen, die schon vor der Stadt da war. Ihre Stämme bewahren die Erinnerung an ihre Geschichte, ihre Blätter und Früchte singen von der Schönheit der Ursprünge, und mit allen Geschöpfen empfangen sie das Leben in einer fortwährenden Schöpfung. Schon Meister Eckhart sagte:

„Gott erschafft in Ewigkeit und beginnt ewig zu erschaffen.“

Und hier sind wir, ein kleiner Mikro- kosmos wie diese Linden, inmitten des Makrokosmos des Universums, das ebenfalls zum Bund eingeladen ist! Das ist es, was Gott mit uns vorhat, er, „Gott mit uns“, damit wir seine Dienerinnen und Freundinnen werden.

„Möge das Glück des Lebens niemals in uns den Widerstand gegen das, was es entstellt, auslöschen!“ (aus einem Gebet von Pastor Gérard Delteil, Vereinigte Protestanti- sche Kirche Frankreichs)

M., ältere Frau im Dienst der Einheit

Den Bund Gottes feiern und leben … und dabei die Form der Situation anpassen. In der Kommunität selbst lassen wir uns dabei von den Bedürfnissen des Augen- blicks leiten. Der Heilige Geist lädt ein, erfüllt uns mit Freude und bringt uns dabei manchmal aus dem Gleichgewicht. Das ist es, was auf dem Sonnenhof gelebt wird, in diesem Abenteuer des Zusam- menlebens zwischen Schwestern und Menschen, die sich dafür entscheiden, eine Zeit lang mit ihnen zu leben und sie in ihrer Mission zu unterstützen. Hören wir einer dieser Frauen zu:

Am 8. Februar dieses Jahres sassen wir fünf das 1. Mal um den runden Tisch im Essraum des Sonnenhofes. Wir fünf von der „Weggemeinschaft Sonnenhof“: drei Grandchamp-Schwestern (Sr. Mechthild, Sr. Dorothea, Sr. Heidi-Elisabeth) und zwei Weggefährtinnen (Martha Jost und Reinhild Schneider), fünf Frauen zwischen 61 und 67 Jahren, die in sich den Wunsch tragen für die nächste Zeit gemeinsam auf dem Sonnenhof zu leben und die Idee einer „Weg-Gemein- schaft“ umzusetzen und den Gäste- empfang zu gestalten, indem sie

  • aus der Stille leben
  • gemeinsam Gott loben in der Liturgie
  • das tägliche Leben teilen
  • Gäste empfangen und begleiten
  • Haus und Garten des Sonnenhofes so gestalten, dass alle, die kommen, sich wohlfühlen können.

Das ist ein lebendiger, spannender und zuweilen spannungsreicher Prozess, bei dem wir miteinander und voneinander lernen, über die Gaben der anderen staunen und die unseren einbringen, uns aneinander freuen und reiben und ergänzen. Jede darf so sein, wie sie ist, wir dürfen so verschieden sein, wie wir sind. Das tut gut und kann hoffentlich auch den Gästen den Raum geben, damit sie sich angenommen wissen, so wie sie sind.

Wir sind alle gespannt und neugierig darauf, wohin der Weg führt: wer dazu kommt, und wie sich die Weggemeinschaft entwickeln wird. Wo und wie können wir den Charakter des Sonnenhofes als Haus der Stille erhalten und gestalten? Wo kristallisieren sich neue Aspekte und Akzente heraus? Es ist unser Wunsch, dass die Gäste, die aus einem anspruchsvollen Alltag kommen, vielleicht beruflich oder familiär herausgefordert sind, im Sonnenhof einen Ort erfahren oder entdecken, an dem sie zur Ruhe kommen, sich finden, Gott finden. Und dass die, die betroffen und bewegt sind von kirchlichen und gesellschaftlichen Umbrüchen, Mut bekommen und Perspektiven sehen, wenn sie mit uns für eine Zeit das einfache Leben teilen.

Wir können dies nicht „machen“. Wir können nur versuchen, uns selbst zur Verfügung zu stellen, unser Leben, was wir sind und haben, in der Hoffnung und dem Vertrauen, dass Gott dadurch den Raum schenkt, in dem andere da sein können, sie selbst sein können, die Gegenwart Gottes ahnen, spüren oder (neu) entdecken …

Das gemeinsame Leben ist für uns ein spannendes Übungsfeld. Offenheit und Geduld, Vergebungsbereitschaft und Humor sind wesentliche „Backzutaten“. Für uns zwei „Weg-Schwestern“ bedeutet es, uns mit allem, was wir sind, auf dem Sonnenhof einzubringen und zugleich die Beziehungen zu Verwandten, Freund*innen, Patenkindern weiterhin verlässlich und aktiv zu gestalten.

Für die drei „blauen Schwestern“, Mechthild, Dorothea und Heidi-Elisabeth, die seit über 30 Jahren in der Kommunität leben, sind unsere Fragen, warum etwas so ist, stimulierend und lassen sie das Eigene neu entdecken. Die verschiede- nen Herangehensweisen an Themen und Entscheidungen sind bereichernd und (manchmal) herausfordernd. Die Abläufe auf dem Sonnenhof (sowohl im Praktischen als auch in der Liturgie) müssen zum Teil neu definiert und angepasst werden. Was soll und muss bleiben, was kann und darf sich verändern, was lässt  sich neu formen und gestalten? Wir sind dankbar, dass eine Fachfrau von aussen uns begleitet im Prozess des „Weggemeinschaft sein“ und „Weggemeinschaft werden“.

Ich (Reinhild) kann sagen: für mich ist es im Moment der richtige Ort, an dem ich meine Gaben einbringen kann und mei- ne Grenzen spüre, an dem ich gemein- sam mit anderen in der Stille hören und das Lob Gottes singen kann, an dem wir – hoffentlich – dazu beitragen können, dass Menschen von Gott berührt ihren Weg weitergehen. Martha freut sich be- sonders an den Zeiten des Kirchenjahres, die an den Melodien, an den Farben der Paramente und den wechselnden Ikonen deutlich werden.

In uns allen wohnt eine innere Freude und hoffnungsvolle Erwartung, was Gott aus uns und mit uns und mit dem Sonnenhof machen kann, in welchem Zeitraum und mit welchen Weg- Schwestern und -Brüdern. Wir haben uns nicht aus Sympathie gefunden (wir kannten uns zum Teil vorher gar nicht), sondern die je eigene Ausrichtung auf Gott verbindet uns zu einer Gemein- schaft. Das wurde sichtbar und spürbar im Segnungsgottesdienst zu Beginn unseres Projektes. Wir wurden von Sr. Anne-Emmanuelle, der Priorin von Grandchamp, und von Markus Binder, einem Vertreter des Freundeskreises, für unseren Weg gesegnet. Wir gehören hinein in die „Familie“ von Grandchamp, und sind als Weggemeinschaft allen verbunden, die den Geist der Seligprei- sungen im Alltag leben wollen, in Freude, Einfachheit und Barmherzigkeit.

Reinhild Schneider

Alles ist verbunden, alles ist Gabe, alles ist zerbrechlich

Wir erleben dies im Alltag von Grandchamp, wo sich vielfältige Realitäten überschneiden.

Einige Eindrücke: 

Retraiten: Die Tage vor Pfingsten mit Dom Marc, Abt von Hauterive, und im Sommer mit fr. Richard von Taizé.

Treffen: Mit Pfr Zachée Betché für einen Austausch über das Thema Rassismus und mit Pfrn Carolina Costa über ihre Erfahrungen mit der LGBTQIA+-Gemeinschaft. Uns gegenseitig zu diesen Themen zuzuhören hilft uns, in einem tiefen Respekt zu wachsen, um Ferment der Einheit zu werden.

Reisen: Sr. Gesine traf im Kongo Sr. Mariane, die mehrere Monate bei ihrer Familie verbrachte. Sr. Regina reiste nach Benin zu der Retraite des Dritt-Ordens der Einheit und anschliessend mit Sr. Siong nach Madagaskar zu den Schwestern von Mamré. Diese Gemeinschaft lebt eine monastische Berufung im Herzen der protestantischen Kirche von Madagaskar, der FJKM. Sr. Gesine verbrachte einige Tage in Marokko für einen Kurs mit dem Noviziat der Kleinen Schwestern Jesu.

Kurse: Iris Ferreira, Rabbinerin aus Frankreich, öffnete uns durch die jüdische Weisheit einen neuen Blick auf biblische Texte. Anne Bourrit und Laurence Bruschweiler ermöglichten 15 Schwestern, sich in gewaltfreier Kommunikation zu üben: ein wertvolles Werkzeug, um unsere Berufung zur Versöhnung zu unterstützen.

Feste: Am 22. Mai feierten wir ein fröhliches Fest zur Gründung des Freun- deskreises von Grandchamp mit etwa 50 Personen. Es endete mit der Pflanzung eines Japanischen Ahorns am Eingang von Grandchamp. Der Freundeskreis hilft uns zu tragen, was uns anvertraut ist: durch Gebet, Spenden und konkrete Hilfe bei der Arbeit. Ein herzliches Dankeschön für jede Geste der Solidarität; sie berühren uns sehr. Eine schöne Dynamik ist entstanden! Nun müssen wir sehen, wie wir die Hilfe der Freiwilligen koordinieren und verschiedene Arbeiten delegieren können: eine Veränderung der Organisation, die uns herausfordert und Zeit braucht. Deshalb konnten wir noch nicht alle Personen kontaktieren, die sich gemeldet hatten.

  1. Juli: Tag der Professfeier von Sr. Embla und Sr. Sonja! Sie erinnerte uns an die Freude, die darin liegt, sich rückhaltlos zu verschenken. Nach dem Gottesdienst versammelte sich eine bunte Schar zum Mittagessen im Hof und in den Gärten.

Der Hof war noch geprägt von einem grossen Baugerüst: Wir konnten einen Teil unserer Dächer renovieren, sie hat- ten es dringend nötig!

In Verbindung mit anderen Gemeinschaften: Die „Kontemplativen Gemeinschaften der Westschweiz“ hatten Elena Lasida eingeladen zum Thema der ganzheitlichen Ökologie. Sr. Marlieke lebte für einige Tage in einem orthodoxen Kloster im Kanton Freiburg mit. Einige Schwestern nahmen am Wochenende der jungen Ordensleute aus der Westschweiz teil. Sr. Anne-Emmanuelle, Sr. Pierrette und Sr. Heidi-Elisabeth hielten Vorträge auf dem Internationalen Ökumenischen Treffen von Ordensleuten (EIIR, jetzt Synaxe), das zum ersten Mal vor 50 Jahren in Grandchamp stattgefunden hatte. Einige Schwestern feierten mit der Kommunität Bose (IT) die Profess von zwei Brüdern und einer Schwester. Im Sommer wechselten sich mehrere Schwestern in Taizé ab, um den Jugendlichen zuzuhören und die Freundschaft mit den Brüdern von Taizé und den Schwestern von St. André zu pflegen. In Grandchamp selbst lebten mehrere Schwestern aus anderen Gemeinschaften eine Zeit lang als Freiwillige unter uns.

Der Ökumenische Rat der Kirchen hatte die Gemeinschaft als Beobachterin zur 11. Vollversammlung in Karlsruhe eingeladen. So erlebten Sr. Anne-Emmanuelle und Sr. Svenja schöne und bereichernde Begegnungen mit Christ*innen aus der ganzen Welt.

*

Eine neue Fraternität entstand in der Normandie, in Sainte-Mère-Église, einem Dorf in der Nähe von Utah Beach, dem Ort der Landung der Alliierten im Juni 1944. Dort war in den letzten Jahren ein Projekt entstanden, das die Friedenserziehung anregen sollte. Wir wurden von den Schwestern des Karmels St. Joseph gebeten, mit ihnen zusammen eine Präsenz des Gebets, des Zuhörens und des Empfangs zu leben. Mitte September schlossen sich Sr. Pascale und Sr. Therese zwei Schwestern des Karmel St. Joseph an, um das Abenteuer eines gemeinsamen, im Gebet verwurzelten Lebens an diesem bedeutsamen Ort zu beginnen. Sr. Janny setzt ihre Präsenz in den Niederlanden fort, ebenso wie Sr. Christianne und Maria de Groot. Sr. Anne-Geneviève schätzt weiterhin das Heim La Lorraine in Bevaix und Sr. Gabrielle das Foyer Handicap in Neuchâtel. Dort studierte sie mit mehreren Bewohner*innen ein Theaterstück ein, das an einem Nachmittag in unserer Kapelle aufgeführt wurde.

*

Mitglieder unserer Familien, Freunde und Nachbarn sind ins ewige Licht eingegangen: Yves de Rougemont und Marie-France Bovet, zwei unserer Nachbar*innen, und viele andere, die wir der Liebe unseres Vaters anvertrauen.

*

Alles ist verbunden, alles ist zerbrechlich, alles ist Gabe … In dieser Zeit, in der Weihnachten naht, weist uns die Gabe eines zerbrechlichen Neugeborenen den Weg. Möge sein Friede uns begleiten und durch das neue Jahr führen.

Ihre Schwestern von Grandchamp